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Interview: Hörscreening ab der Lebensmitte unbedingt in Anspruch nehmen

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Viele Menschen leiden an einer Schwerhörigkeit, ohne sich dieser bewusst zu sein. Insbesondere ab einem Alter von 50 Jahren steigt die Zahl der Schwerhörigen rapide an. Priv.-Doz. Dr. Jan Löhler, Präsident des Deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte, rät deshalb allen Menschen in der Lebensmitte zu einem Hörscreening.

Herr Dr. Löhler, warum sollten gerade Menschen ab 50 Jahren einen Hörtest in Anspruch nehmen?

In dieser Lebensphase tritt oft eine altersbedingte Schwerhörigkeit auf. Durch sie kommt es zu lebenszeitbedingten degenerativen Prozessen im Bereich des Innenohres. Da die Veränderung in der Regel schleichend verläuft, wird der Hörverlust allzu oft nicht wahrgenommen und nicht ärztlich behandelt. Nur etwa 20 Prozent aller Personen ab 65 Jahren mit einer mittleren bis hochgradigen Hörstörung bezeichnen sich selbst als höreingeschränkt. Und nur circa 30 Prozent der Bedürftigen tragen Hörgeräte.

Was ist so schlimm daran, wenn es die Betroffenen selbst nicht stört?

Eine unbehandelte Schwerhörigkeit kann gravierende gesundheitliche, soziale und ökonomische Folgen haben. Wir wissen auf Grundlage von Forschungsdaten, dass Schwerhörigkeit vermutlich einer der größten beeinflussbaren Risikofaktoren für eine Demenzerkrankung ist. Auch soziale Probleme, wie die Isolation und Ausgrenzung der Betroffenen, sind nicht selten. Aufgrund komplexer Veränderungen im Bereich des Gehirns kommt es wahrscheinlich zu einer Störung auf kognitiver Ebene. Die intellektuelle Leistungsfähigkeit sinkt, während das Risiko für eine Depression steigt. Zudem ist offensichtlich auch der Gleichgewichtssinn betroffen, sodass das Risiko zu stürzen zunimmt.

Wo kann man denn ein Hörscreening durchführen lassen?

Wir verfügen in Deutschland über ein dichtes Netz aus rund 3.700 niedergelassenen HNO-Fachärztinnen und -Fachärzten. Alle Praxen haben das Know-how und die apparativen Voraussetzungen für ein Hörscreening. In der Zusammenarbeit mit den Hörgeräteakustikern vor Ort oder – im Fall von schwerwiegenden Hörstörungen – durch die Einbeziehung der HNO-Kliniken, kann den betroffenen Patientinnen und Patienten schnell und niedrigschwellig geholfen werden.